Dem planvollen Entscheiden und Handeln stehen im unternehmerischen Alltag viele große und kleine Barrieren entgegen. So kleben wir an althergebrachten Gewohnheiten und verlassen uns auf ungeprüfte Gewissheiten und vermeintliche Prioritäten. Nur zu häufig steht dahinter ein verkürztes Informationsverhalten und eine Selektion auf “stimmige” Botschaften. Es ist eben einfacher und erfolgversprechender, Lösungen für Probleme dort zu suchen, wo wir kompetent sind, statt dort, wo sie vielleicht wirklich entstanden sind.
Gelegentlich geht diese Angst vor dem Eingeständnis eigener Unkenntnis einher mit einer großen Hartnäckigkeit in Bezug auf den eingeschlagenen Weg und weniger in Bezug auf das Ziel. Bei hektischer Betriebsamkeit und ausgeprägtem Aktionismus wirbeln wir dann viel Staub auf und wundern uns hinterher, dass wir so wenig sehen können.
Damit dies alles ein Ende habe, wurde vor Jahrzehnten das “scientific management” erfunden, mit quasi militärischem Planungsdenken unterlegt und mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen verknüpft. So wuchs langsam die hohe Schule der Unternehmens- und strategischen Planung. Und es wuchs langsam die Gewissheit, dass bei richtiger Planung aller Denkbarkeiten die Führungskräfte wirklich in der Lage sind, das Unternehmen, andere und sich selbst “richtig” zu führen und zu organisieren. Und so sitzt die hoch entwickelte und geschulte Führungskraft dann gelassen, analysierend und konzipierend im typischen Alltagsgetümmel, überarbeitet mit ihrem Time Management System die Prioritäten und kontrolliert die Einhaltung von Verabredungen. Gelegentlich schraubt sie sich auch hoch zu Helikopter-Sicht, um zu prüfen, ob alles noch nach Plan läuft oder unerwartete Gefahren drohen.
Haben wir nun einerseits den Organisationspraktiker, der möglicherweise durch sein Handeln die Probleme, die er lösen will, verschlimmert und andererseits den Organisationstheoretiker, der einer Wahrheit nachjagt, für die es keinen Bedarf gibt?
Schauen wir uns doch an, wie es den großen, gefeierten, erfolgreichen Unternehmen und ihren Führern ergeht – und wir sehen, dass selbst schiere Größe und (vermeintliche?) Marktbeherrschung nicht davor bewahrt, in kräftige Turbulenzen zu geraten. So wird dann die “Suche nach Spitzenleistungen” und der “Manager des Jahres” zur Paradoxie, oder einfacher gesagt zum Beweis des Gegenteils. Das Streben nach Vollkommenheit und der Versuch, alles Unvollkommene auszumerzen, geraten zur Utopie.
Die exponentielle Zunahme der Managementwerkzeuge und -instrumente hat auch die Fehlermöglichkeiten (vielleicht im gleichen Maße?) steigen lassen. So ist es zum Beispiel eine weit verbreitete Untugend zu glauben, dass gute Analysen mit guten Ergebnissen gleichzusetzen seien. Auch treten die Folgen von Entscheidungen häufig erst lange nach der Entscheidung selbst auf – und so ist es schwierig, die Spuren zurückzuverfolgen und erfolgreiche Ursachenforschung zu betreiben.
Eine besonders gravierende Barriere tut sich dort auf, wo Werkzeuge, die einen analytischen Charakter besitzen und mehr und mehr als unverzichtbar angesehen werden, selbst zu Erklärungsmodellen der bearbeiteten Märkte und Organisationen werden. Dies gilt insbesondere auch für die strategische Planung, die immer mehr zu einem Fetisch geworden ist und häufig nicht mehr “um ihrer selbst” angewandt wird, sondern weil sie
- vermeintlich ein Abbild der Realität schafft, die so handhabbar werden möge,
- Begriffswelten bietet, die Orientierung und Handlungsplanung versprechen,
- die mathematische Form des Selbstbetruges nahe legt: Konsistenz mit Richtigkeit gleichzusetzen
- und von hohem Prestige für das Managementselbstverständnis ist.Vielleicht halten wir uns besser an den Züricher Stadtplaner Robert Nef, der schon vor 20 Jahren spottete, dass die Planung das Ersetzen des Zufalls durch den Irrtum sei. Während wir nun dem Zufall hilflos ausgeliefert sind, haben wir als Planer immerhin die Möglichkeit, vom größeren zum kleineren Irrtum fortzuschreiten. Planung kann also bestenfalls geeignet sein, größere Fehler zu vermeiden, aber sie kann uns nicht zeigen, was das Richtige ist … es sei denn, wir wollen mit ihren Instrumentarien belegen und untermauern, was wir ohnehin zu tun beabsichtigt hatten.Was ist denn nun dieses Wundermittel Intuition?Im Umfeld von Intuition sind Begriffe wie Mut, Instinkt und Urteilsvermögen zu Hause, denn ohne gedankliche Risikobereitschaft und die Fähigkeit, uneindeutige Situationen ertragen zu können (tolerance of ambiguity), werden die Quellen der Intuition nie zugänglich.Was kann man nun tun, um diese Gabe Intuition zu halten, zu pflegen und zu fördern?
- Intuition ist eine Qualität, die sich immer erst im Nachhinein erweist, wenn sich die Lösung, der Fortschritt, der Erfolg eingestellt haben. Sie ist das “Aha-Erlebnis”, das die Informationen und Fakten neu ordnet und in der Nachbetrachtung alles so plausibel erscheinen lässt, dass man sich stets aufs Neue wundert, nicht schon vorher oder gleich darauf gekommen zu sein.
- Zuerst einmal ist die Intuition ein Wissen, das man ohne rationales Denken gewonnen hat und das irgendwo auf dem nicht bekannten Wege zum Ziel die Jahre der Erfahrungen und des Lernens zu einem Geistesblitz komprimiert. Ein wahres Feuerwerk an Anschauungsunterricht ist hierzu in Arthur Koestlers “Der göttliche Funke” nachzulesen.
- Während nun die Planungsphilister noch dabei waren (und sind), das Durcheinander zu ordnen, hat Henry Mintzberg schon Mitte der 70er Jahre die ketzerische These aufgestellt, dass manche Wirtschaftler fälschlicherweise den Schlüssel zum Management in der Leichtigkeit der logischen Analyse gesucht haben, während er vielleicht im Dunkel der Intuition verloren gegangen ist. Mintzbergs pragmatische und hautnahe Untersuchungen über das, was den Manager ausmacht, haben die Führungskraft sehr viel mehr als eine ganzheitlich denkende, von Visionen geleitete, häufig intuitiv entscheidende, das Chaos liebende Persönlichkeit beschrieben, die mit hoher Geschwindigkeit arbeitet, sich schnell von einem Thema auf das nächste umstellen kann und muss, kurzfristig entscheidet und sich ständig auf Ahnungen, Vermutungen, eben auf Intuition verlässt, um die Probleme zu bewältigen, die für eine rationale Analyse viel zu umfassend (oder ungeeignet!) sind.
- Vor allem ist die (strategische) Planung geeignet, die Unsicherheit des Wissens durch die Sicherheit des Glaubens aufzuheben. So kann Planung Entscheidungssicherheit schaffen, wo vollständige Ratlosigkeit geboten wäre. Und so manches, was durch die Mühle von Prüfung und Bewertung läuft, ist eher Ausdruck unseres Prozessierens mit der Realität, nicht Ausdruck von Prozessen der Realität.
- Zuallererst einmal daran glauben, dass es sie gibt und immer vor Augen führen, wo sie uns und anderen widerfahren ist.
- Nicht dem Denken dann Einhalt gebieten, wenn uns die Informationen fehlen, sondern spekulieren. Dies ist auch nichts anderes als folgerichtiges, logisches Denken, basierend auf (intuitiv bestimmten) Prämissen und Vermutungen, also “weichen” Informationen, statt auf “harten” Fakten.
- Und das “pars pro toto” pflegen und trainieren. Nur diese Fähigkeit zum unmittelbaren Erkennen einer Ganzheit von einem wesentlichen Detail her versetzt uns in die Lage, Komplexität und Vielfalt langfristig erfolgreich zu managen. Denn gerade in der Flut von Informationen und dem Zwang zur Analyse steckt viel Paralyse.Auch sollten wir unseren Anforderungen an – und unser Bild von – Planung öffnen und nicht so tun, als wenn es im Wesentlichen darum ginge, zwischen schon bekannten Alternativen zu unterscheiden. Immerhin ist es wichtiger, im Großen und Ganzen richtig als exakt falsch zu liegen. Dies bedeutet auch anzuerkennen, dass eine Planung unmöglich zugleich allgemein, genau und einfach sein kann.Gute Planung ist ein Schlüssel, der passt, wenn er das Schloss aufsperrt, aber das Passen beschreibt nur die Fähigkeit des Schlüssels, nicht aber das Schloss (oder gar was hinter der Tür ist). Dann können wir mit Fug und Recht sagen, dass die ganze Bedeutung einer Planung und der Preis dafür, sich nach ihr und nicht nach anderem gerichtet zu haben, darin liegt, dass dieser Zeitraum weniger schlecht verlaufen ist, als er hätte verlaufen können.
- Zu guter Letzt sollten wir immer einige Bilder und Metaphern bereithalten, die uns helfen, Abstand zu den Einflüsterungen der Fakten zu wahren (und dennoch mittendrin zu sein), um zwischen dem Erkennen der Unmöglichkeit und dem Nichterkennen der Möglichkeiten unterscheiden zu können.
- Halten wir uns doch mehr an den einfachen Hirten, der obwohl nur über die Zahlwörter eins, zwei und viele verfügend, dennoch sofort bemerkte, ob und welche Tiere aus der Herde fehlten, auch wenn die Zahl der Tiere deutlich über 100 ging.