Wir kennen den Alltag, der voller Dinge ist, von denen man wünscht, dass sie sich von allein erledigen: ein Bericht, ein unerfreuliches Telefonat, eine Präsentation, ein schwieriges Gespräch, die Steuererklärung – und wir sind reich an Taktiken, Begründungen und Erklärungen, die Dinge immer wieder aufzuschieben.
Prokrastination ist die wissenschaftlich-psychologische Bezeichnung für unser Verhalten, die Erledigung wichtiger Dinge immer wieder in die Zukunft zu verschieben.
Der typische Verschieber liegt nun selten faul auf der Bärenhaut, sondern ist stets beschäftigt; im beruflichen Umfeld ähnelt der Aufschieber sogar eher einem Workaholic, der immer dann von einer Tätigkeit zur nächsten wechselt, wenn die Anspannung einen kritischen Punkt über- oder unterschreitet.
Kurioserweise ist der Aufwand, den wir betreiben, um etwas nicht zu tun (also der Vermeidungsaufwand) häufig gleich oder größer als die Energie, die es für das Erledigen der eigentlichen Aufgabe gebraucht hätte, und es gibt zwei Typen, die sich aufschiebetechnisch deutlich unterscheiden:
Da haben wir den Erregungsaufschieber, der fest davon überzeugt ist, erst im letzten Moment und nur unter Druck so richtig arbeiten zu können und das Hochgefühl genießt, wenn es dann tatsächlich noch geklappt haben sollte. Scheitern wird verdrängt oder eher die Schuld bei anderen gesucht.
Dann gibt es noch den Vermeidungsaufschieber, der gerne wegtaucht und viel Energie auf die Suche von Erklärungen und Entschuldigungen verwendet. Da hat ein logistisch bedingtes Zuspätkommen leider nicht mehr die Zeit gelassen, die Aufgabe vernünftig zu bearbeiten. Auch hier sind die Umstände schuld und nicht die Fähigkeiten und das heimliche Credo lautet: es genügt, gewollt zu haben.
Aber: In der Saumseligkeit steckt vielleicht sogar ein wenig der Qualität des Lassens (als Gegenstück zum Tun), bei der schon Nietzsche meinte, dass schöpferische Menschen viel Langeweile nötig haben, wenn ihnen die Arbeit gelingen soll.
Man kann sich natürlich auch bei Aristoteles aufladen, für den Arbeit und Tugend nicht zusammenpassten, oder auf Nietzsche hören: »Wer von seinem Tag nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave, er sei übrigens, wer er wolle: Staatsmann, Kaufmann, Beamter, Gelehrter.«
Singen wir also mit G.E. Lessing das Loblied der Faulheit:
Faulheit, jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied schenken,
Käm es nur gleich aufs Papier
Ohne lange nachzudenken
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.
Höchstes Gut! wer dich nur hat
Dessen ungestörtes Leben
Wird — ich gähn — ich werde matt —
Nun — so — magst Du mir’s vergeben,
Dass ich dich nicht loben kann;
Du verhinderst mich ja dran.